Zettel vorm Gesicht

Mönchengladbach tanzt den Rühler Springer: Hans Meyer ist zurück

Die Medienlandschaft hat ihn nach mehr als 2000 Tagen wieder, den Super-Hans auf der Trainerbank in Mönchengladbach. Für die Spieler des euphorisch gestarteten und dann schnell in den Tabellenkeller gestürzten Zweitliga-Aufsteigers wird es damit ungemütlich. »Meyer läßt die bis zu zehn Stunden täglich malochen«, barmte der Kölner Express. Mit Sprüchen wie »Ihr springt so hoch, als würde Christoph Daum sagen, jetzt geht es über glühende Kohlen«, oder: »Zwei Minuten weniger auslaufen! Jeder macht seine Schuhe sauber. Oliver Neuville als 36jähriger nicht, das mache ich.« begeistert Meyer die Medien ebenso wie die simplen Geister unter den Fans.

Die Radio-Sportsendungen von WDR und RBB feierten Meyer, als wäre er der Fußball-Obama aus dem Osten, der nur eine Botschaft hat: »Ja, wir können es«. Dabei ist der Thüringer Fußballehrer mit seinen 65 Jahren doch nur verdammt bauernschlau. Vor allem gegenüber den natürlichen Feinden aller Trainer, den Medien. Vor dem 1:0 der Gladbacher gegen den KSC am Samstag standen 20 Fotografen und Kameraleute vor der Trainerbank, auf der Meyer sich einen Zettel vors Gesicht hielt, als wollte er vor Gericht nicht erkannt werden. Seine »Medienstrategie« beschränkt sich schon seit Jahren darauf, auf eine normale Frage grundsätzlich keine Antwort zu geben. Zuerst wird der Fragende mit einer belanglosen, aber ausschweifenden Gegenfrage konfrontiert, und wenn Meyer den Fragenden lakonisch eingeseift hat, hat auch der letzte begriffen, daß bei Meyer alles am Unterhaltungswert bemessen wird.

Deshalb reduziert Meyer die unangenehmen Seiten des Profifußballs auf die Medien: »Die Presse ist frei in dem Sinne, daß jeder schreiben kann, was er will, selbst wenn es der größte Unsinn ist.« Die anderen Bestandteile der großen Geldmaschine Fußball blendet Meyer bewußt aus. Er weiß eben, was wichtig ist. Auf die Frage, ob er sich mit den Vereinen für die er arbeitet immer identifizieren kann, antwortete der Trainerfuchs am Samstag: »Das mache ich immer. Ich habe überall grundsolide Arbeitgeber vorgefunden. Ich mußte nirgendwo monatelang auf mein Geld warten.«

Das von Meyer angekündigte Krampfspiel, was unbedingt gewonnen werden müsse, fand dann auch vor atemlos angespannter Kulisse statt. Immerhin waren wieder 42000 Zuschauer in den Nordpark gepilgert. Doch das eher schwache Spiel, in dem die Karlsruher dann auch noch die Initiative übernahmen, konnte die Fans nicht erwärmen. Doch der Siegtreffer von Mannschaftskapitän Patrick Paauwe kam dann allen vor wie eine Erlösung. Die Zuschauer tanzten, bangten und fieberten den Vorsprung über die Zeit.

Es war so, als tanze das Gladbacher Publikum einen alten Volkstanz aus der Heimat von Hans Meyer: Im 17. Jahrhundert führte die Handwerkszunft der Klingen- und Messerschmiede in Ruhla zur Fastnachtszeit und bei besonderen Anlässen ein Tanzritual auf, der als Schwert- oder Messertanz beschrieben wird. Am Niederrhein haben sie jetzt einen Vortänzer, der diese Tradition nicht nur im Umgang mit den Medien beherrscht.                                                              Andreas Geil